Stadler war trotz der Corona-Krise im ersten Halbjahr 2020 nicht von einem Nachfrageeinbruch betroffen und konnte weiterhin von einer führenden Marktposition profitieren. Es wurden keine laufenden Aufträge storniert und bereits im ersten Halbjahr 2020 hat Stadler neue Aufträge im Gesamtwert von 3.1 Milliarden Schweizer Franken gewonnen, davon 1.2 Milliarden Schweizer Franken im Bereich Service & Components. Das entspricht insgesamt einer Steigerung von 35 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode. Der Auftragsbestand steigt damit nochmals um 12 Prozent gegenüber dem Stand per Ende 2019 auf rekordhohe 16.8 Milliarden Schweizer Franken, davon über 4 Milliarden aus dem Segment Service & Components.
Neue Go-Ahead FLIRT für das E-Netz Allgäu im Stadler Werk Berlin-Pankow Foto: Marcel Manhart
Im Gegensatz zur sehr soliden Auftragslage war Stadler allerdings von deutlichen Auswirkungen der Corona-Krise auf Umsatz, Profitabilität und Cashflow betroffen. Es kam insbesondere zu Unterbrüchen in den Lieferketten sowie zu Reisebeschränkungen für Mitarbeiter, Kunden und Zulassungsbehörden. Die stark ausgedünnten Fahrpläne der Bahnbetreiber hatten zudem unter den Erwartungen liegende Umsätze im Segment Service & Components zur Folge. Insgesamt sank der Umsatz in der Berichtsperiode auf 934.7 Millionen Schweizer Franken, ein Rückgang um 16 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2019. Die temporäre Werkschliessung für drei Wochen in Valencia sowie das massive Herunterfahren der Produktionskapazitäten in Salt Lake City hatten ebenfalls einen entsprechend negativen Einfluss auf den Umsatz und Ebit
Segment Rolling Stock
Im Berichtsegment Rolling Stock beläuft sich der
Auftragseingang im ersten Halbjahr auf 1.9 Milliarden Schweizer Franken und liegt damit 12 Prozent über der Vorjahresperiode. Auch der Auftragsbestand wächst im Vergleich zum Jahresende 2019 um 4
Prozent auf ein neues Rekordhoch von 12.8 Milliarden Schweizer Franken. Die Auswirkungen der Corona-Krise zeigen sich hingegen in einem Umsatzrückgang von 21 Prozent auf 788.8 Millionen Schweizer
Franken (Vorjahresperiode: 1.002 Milliarden Schweizer Franken). Durch den teilweise mehrwöchigen Lockdown in zahlreichen Ländern kam es zu Unterbrüchen in den Liefer- und Transportketten. Von 148
Aufträgen, die sich bei Stadler in der Abwicklung befinden, waren etwa 20 Aufträge direkt von Verzögerungen der Zulieferindustrie betroffen. Weiter führten Einschränkungen der Reisetätigkeit von
Kunden, Mitarbeitenden und insbesondere der Zulassungsbehörden zu verzögerten Zulassungen und Fahrzeugabnahmen. Dies wiederum hat zur Folge, dass sich die entsprechenden Umsätze verschieben und
Schlussrechnungen für die Fahrzeuge erst verzögert gestellt werden können.
Segment Service & Components
Der Auftragseingang im Berichtsegment Service &
Components liegt im ersten Halbjahr 2020 bei 1.2 Milliarden Schweizer Franken und hat sich damit gegenüber dem Vorjahresniveau nahezu verdoppelt. Damit steigt der Auftragsbestand im Segment
Service & Components auf 4.1 Milliarden Schweizer Franken und trägt nun knapp einen Viertel zum Auftragsbestand von Stadler bei. Das Berichtssegment Service & Components erreichte im
ersten Halbjahr einen Umsatz von 145.9 Millionen Schweizer Franken. Damit liegt der Umsatz mit einem Anstieg von 29 Prozent zwar klar über der ersten Jahreshälfte 2019, allerdings auch deutlich
unter den eigenen Erwartungen. Da langfristige Serviceverträge in der Regel anhand der Kilometerleistung der Fahrzeuge abgegolten werden, haben sich die stark ausgedünnten Fahrpläne der
Bahnbetreiber direkt auf den Umsatz im Segment Service & Components ausgewirkt.
Ebit, Reingewinn und Cashflow von Covid-19
beeinträchtigt
Der Ebit beläuft sich in der ersten Jahreshälfte 2020 auf
5 Millionen Schweizer Franken (0.5 Prozent Ebit-Marge), gegenüber 46.9 Millionen Schweizer Franken (4.2 Prozent Ebit-Marge) in der Vorjahresperiode. Der Rückgang der Profitabilität ist im
Wesentlichen durch tiefere Volumen aufgrund Corona-bedingter Verschiebungen von Umsätzen und durch Unterbrüche in den Lieferketten begründet. Die Umsätze im Segment Service & Components lagen
mit der Ausdünnung der Fahrpläne im öffentlichen Verkehr und der daraus folgenden Reduktion der gefahrenen Kilometer zudem unter den bereitgestellten Kapazitäten, welche mit laufenden Kosten
einhergehen.
Der Geschäftsgang von Stadler ist grundsätzlich einer
starken Saisonalität ausgesetzt, welche typischerweise zu bedeutend höheren Umsätzen, Profitabilität und Cashflows in der zweiten Jahreshälfte führt. Dies äussert sich in der Regel darin, dass
rund ein Drittel der Umsätze in der ersten, und die restlichen zwei Drittel in der zweiten Jahreshälfte erwirtschaftet werden. Der saisonale Einfluss wirkt sich verstärkt auf den Ebit, die
Ebit-Marge sowie den Cashflow aus. Die Corona-Krise hat diese Effekte zusätzlich verstärkt.
Auf Stufe Reingewinn verbuchte Stadler im ersten Halbjahr
2020 einen Gewinn von 15.7 Millionen Schweizer Franken gegenüber 27.5 Millionen Schweizer Franken in der Vorjahresperiode, was einem Rückgang um 43 Prozent entspricht.
Die Nettoverschuldung betrug per 30. Juni 2020 417.1
Millionen Schweizer Franken gegenüber -5.6 Millionen Schweizer Franken per 31. Dezember 2019. Die Zunahme der Nettoverschuldung ist insbesondere auf verzögerte Abnahmen und Fakturierungen von
Fahrzeugen zurückzuführen. Viele Fahrzeuge sind fertig gebaut und bereit für die Zulassung und Abnahme. Aufgrund von Reisebeschränkungen konnten jedoch Stadler-Mitarbeitende nicht in die
entsprechenden Länder reisen, wodurch die neuen Fahrzeuge nicht zugelassen und von den Kunden nicht abgenommen werden konnten. Deshalb wurden auch die entsprechenden Schlussrechnungen noch nicht
gestellt und geplante Zahlungseingänge blieben aus, was mit einem Anstieg des Nettoumlaufvermögens um 259.9 Millionen Schweizer Franken einhergeht und den Cashflow entsprechend belastet. Zudem
hat Stadler weiterhin stark in die Bereitstellung der Kapazitäten zur Abwicklung des hohen Auftragsbestandes investiert.
Ausblick: Deutlich stärkeres zweites Halbjahr
erwartet
Stadler erwartet in der zweiten Jahreshälfte eine starke
Erhöhung des Umsatzes und der Profitabilität gegenüber dem ersten Halbjahr 2020. Stadler geht davon aus, dass aufgrund eingeleiteter Sofortmassnahmen die durch die Corona-Krise ausgelösten
Verzögerungen in den Zulassungs- und Abnahmeprozessen in der zweiten Jahreshälfte teilweise kompensiert werden können. Deshalb erwartet Stadler für das Jahr 2020, unter der Annahme, dass sich die
Corona-bedingten Einflüsse auf die Lieferketten, Zulassungen und Fahrzeugabnahmen stabilisieren sowie unter stabilen Wechselkursen, eine leicht negative Umsatzentwicklung gegenüber 2019 sowie
eine Ebit-Marge von über 5 Prozent. Die Dividendenpolitik mit einer Ausschüttungsquote von circa 60 Prozent des Nettoergebnisses sowie die mittelfristigen Finanzziele einer Ebit-Marge von 8 bis 9
Prozent ab dem Jahr 2023 werden weiterhin bestätigt.
Wichtigste Auftragseingänge
Einen wichtigen Auftrag konnte Stadler gleich zu Beginn
des Jahres in Ungarn verbuchen: Der staatliche Bahnbetreiber MÁV-START hat im Januar 2020 21 weitere Doppelstock-Triebzüge des Typs KISS aus dem seit 2017 bestehenden Rahmenvertrag abgerufen und
damit nun insgesamt 40 Züge bestellt. Bei den Tailor-Made-Fahrzeugen konnte die langjährige Zusammenarbeit mit der Matterhorn-Gotthard-Bahn (MGBahn) fortgesetzt werden. Im März 2020 bestellte die
MGBahn zwölf dreiteilige Zahnrad-Triebzüge in der ersten von zwei Etappen zur umfassenden Modernisierung ihres Rollmaterials. Insgesamt ist die Beschaffung von 27 Triebzügen vorgesehen. Auch im
Nordosten Englands kommen vermehrt Stadler-Fahrzeuge zum Einsatz: Auf dem Netz von Tyne and Wear Metro im Raum Newcastle verkehren künftig 46 METRO-Züge, die im Februar 2020 bestellt wurden.
Damit werden Fahrgäste in allen U-Bahnen Grossbritanniens ausserhalb Londons – in Liverpool, Glasgow und neu auch in Newcastle – in naher Zukunft mit Stadler-METRO-Zügen reisen. In Deutschland
ist Stadler im März 2020 als Sieger aus der Ausschreibung der Berliner Verkehrsbetriebe für die Lieferung von bis zu 1500 Wagen für den Einsatz im U-Bahn-Netz der deutschen Hauptstadt
hervorgegangen. Der Rahmenvertrag mit einem Gesamtvolumen von bis zu drei Milliarden Euro umfasst auch die Ersatzteilversorgung über einen Zeitraum von 32 Jahren
Fahrzeuge für Greater Anglia erfolgreich
abgenommen
Für Greater Anglia konnten alle 58 FLIRT erfolgreich
ausgeliefert und vom Kunden abgenommen werden. Die Züge fahren bereits im fahrplanmässigen Betrieb und bezüglich Verzugspönalen konnte mit dem Kunden eine Einigung gefunden werden.
Rasch von Cyberangriff erholt
Im Mai wurde das IT-Netzwerk von Stadler mit
Schadsoftware angegriffen. Dank vollständiger und funktionsfähiger Backup-Daten und dem grossen Einsatz des IT-Teams waren kurzzeitige operative Einschränkungen schnell überwunden und die
betroffenen Systeme konnten sehr rasch wieder hochgefahren werden.
Erste Länderzulassung für Zugsicherungssystem (ETCS)
GUARDIA
Seit 2016 ist bei Stadler der kontinuierliche Aufbau des
firmeneigenen Signalling-Bereichs im Gang. Am Signalling-Standort Wallisellen arbeiten mehrere Teams von hochqualifizierten Ingenieurinnen und Ingenieuren an der Umsetzung der
Signalling-Strategie für die Produkte Vollbahnen, Nebenbahnen und Metro. Stadlers Joint Venture AngelStar konnte die erste Länderzulassung für die eigene ETCS-Lösung GUARDIA im Juni in Polen
erfolgreich erwirken. In der Schweiz hat GUARDIA vom Bundesamt für Verkehr (BAV) bereits im April 2019 die generische Zulassung erhalten. Nun folgt die Typenzulassung und im Frühjahr 2021 geht
die BLS mit GUARDIA auf ihren Stadler-Fahrzeugen in Betrieb. Neben Deutschland laufen Zulassungsverfahren in weiteren neun Ländern.
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