Die SBB geht davon aus, dass der Gotthard-Basistunnel ab dem 02. September 2024 wieder vollständig für Reise- und Güterzüge zur Verfügung steht. Die Instandsetzungsarbeiten sind abgeschlossen. Nun folgen die Test- und Probefahrten. Ab diesem Zeitpunkt geht dann auch die trinationale Direktverbindung Frankfurt (Main) - Zürich HB - Milano Centrale in Betrieb; diese wird mit einem Stadler Giruno (SBB RABe 501) geführt.
SBB RABe 501 027 "Kanton Schaffhausen" bei der ersten fahrplanmässigen Fahrt eines Stadler Giruno nach Deutschland am 09. Juni 2024 als EC 472 Zürich HB (14.34) - Frankfurt (Main) Hbf (18.44) Foto: Marcel Manhart
Nach den schweren Unwettern der vergangenen Tage im Misox analysiert die SBB die Situation laufend. Aktuell sind die verfügbaren Kapazitäten im Personen- und Güterverkehr auf der Gotthard-Achse ausreichend. Die SBB bietet auf der Gotthard-Achse von Freitag bis Sonntag insgesamt 11'000 zusätzliche Sitzplätze gegenüber den anderen Wochentagen an. Die Auslastung einzelner Züge kann über die Belegungsprognose im Online-Fahrplan abgerufen werden. Dort besteht auch die Möglichkeit, Sitzplätze zu reservieren. Sollte die Nachfrage steigen, könnte die SBB darauf reagieren, indem sie beispielsweise zusätzliche Züge einsetzen würde.
Als wichtiger Meilenstein beim gemeinsamen Ausbau des Bahnangebots zwischen der Schweiz und Deutschland verkehrte zum "kleinen Fahrplanwechsel vom 09. Juni 2024 mit dem RABe 501 027 "Kanton Schaffhausen" erstmals ein Giruno auf der Strecke zwischen Zürich HB und Frankfurt (Main) Hbf. Ab dem 02. September 2024 geht dann auch die trinationale Direktverbindung Frankfurt (Main) - Zürich HB - Milano Centrale mit einem Stadler Giruno in Betrieb.
Ab Fahrplan 2026 soll der Giruno systematisch auch weitere Städte im deutschen Netz anfahren. So ist das Fahrzeug für zusätzliche Direktverbindungen vorgesehen; unter anderem zwischen Bern/Brig und Nordrhein-Westfalen, Chur/Zürich und Hamburg, sowie Chur/Zürich und Berlin. Für den geplanten Ausbau des Angebotes hat die SBB bekanntermassen 2022 sieben weitere Giruno bestellt.
Seit der Entgleisung eines Güterzugs im Gotthard-Basistunnel am 10. August 2023 hat die SBB die Arbeiten zur Wiederinstandsetzung mit Hochdruck vorangetrieben. Diese schreiten weiterhin wie geplant voran. Die SBB geht heute davon aus, dass sie am 02. September 2024 den längsten Eisenbahntunnel der Welt wieder vollständig in Betrieb nehmen kann. Damit verkehren alle Züge wieder mit Fahrzeiten wie vor der Entgleisung, womit sich die Reisezeit für die Kundinnen und Kunden im Vergleich zur Umleitung über die Panoramastrecke um eine Stunde verkürzt. Sie gelangen damit wieder in weniger als zwei Stunden von Zürich nach Lugano.
Ab der vollständigen Wiederinbetriebnahme kann die SBB ihren Kundinnen und Kunden auch erstmals einen vollständigen Halbstundentakt im Fernverkehr zwischen der Deutschschweiz und dem Tessin anbieten. Ausserdem verkehren ab diesem Zeitpunkt auch die Direktzüge aus der Schweiz nach Bologna und Genua wieder, ebenso wie der Eurocity Basel–Luzern–Milano und die trinationale Verbindung Frankfurt–Zürich–Milano, auf der neu der Giruno verkehrt.
Test- und Probebetrieb
Bevor die SBB die Weströhre des Gotthard-Basistunnels wieder vollständig in Betrieb nehmen kann, führt sie einen Test- und Probebetrieb durch. Damit werden die Funktionen aller Anlagen und Systeme umfassend überprüft – ähnlich wie dies vor der Inbetriebnahme des Tunnels im Jahr 2016 gemacht worden war. Im Testbetrieb werden unter anderem Fahrten mit leeren Zügen durchgeführt, um die neuen Anlagen, insbesondere die Fahrbahn, zu testen und das Zusammenspiel aller Systeme zu prüfen. Im Rahmen des Probebetriebs ab Mitte August verkehren fahrplanmässige Züge, welche von Süden nach Norden durch den Gotthard-Basistunnel fahren, wieder durch die Weströhre. Ausserdem werden einzelne Züge durch die Weströhre des Gotthard-Basistunnels umgeleitet, die gemäss Fahrplan über die Panoramastrecke verkehren.
Im Hinblick auf die geplante Wiederinbetriebnahme wird die SBB dem Bundesamt für Verkehr (BAV) eine umfassende Dokumentation zu den durchgeführten Arbeiten sowie die erforderlichen Sicherheitsnachweise einreichen. Voraussetzung für die vollständige Wiederinbetriebnahme am 02. September 2024 ist die Freigabe des BAV.
Regelmässige Unterhaltsarbeiten im Gotthard-Basistunnel
Der Unterhalt eines Tunnels mit einer Länge von 57 Kilometern ist eine Daueraufgabe. So finden regelmässig Unterhaltsarbeiten im Gotthard-Basistunnel statt. Die SBB hat die unfallbedingte (Teil-)sperre der Weströhre nach der Entgleisung genutzt, um zahlreiche bereits vorher geplante Unterhaltsarbeiten vorzuziehen. Unabhängig von der Entgleisung im vergangenen August sind schon seit Längerem Planungen für regelmässige mehrtägige Unterhaltsfenster im Gang. Während diesen wird es auch zu Umleitungen über die Panoramastrecke und somit zu längeren Fahrzeiten kommen. Detailliertere Informationen zu den Unterhaltsfenstern wird die SBB kommunizieren, wenn diese bekannt sind und die Betriebserfahrungen seit dem Ereignis vom 10. August 2023 eingearbeitet sind. Sie steht dazu in engem Austausch mit dem BAV.
Massnahmen zur Vermeidung von Ereignissen und zur Minimierung von Auswirkungen
Der Abschlussbericht zur Unfallursache der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) steht noch aus. In einem Zwischenbericht hat die SUST festgehalten, dass ein Radscheibenbruch zur Entgleisung führte. Die SBB besitzt im Güter- und Personenverkehr keine Wagen mit entsprechenden Radsätzen, jedoch sind solche bei anderen europäischen Wagenhaltern des Güterverkehrs im Einsatz und verkehren auch in der Schweiz. Aufgrund des internationalen Einsatzes des betroffenen Radtyps braucht es Massnahmen, die auf europäischer Ebene definiert werden. Dies hat die SUST in ihrem Zwischenbericht festgehalten. Nach dem Erscheinen des Zwischenberichts der SUST hat das BAV über die europäischen Eisenbahnbehörden einen Aufruf lanciert. Damit hat es alle Wagenhalter in Europa, die Güterwagen mit ähnlichen Rädern aufweisen, aufgefordert, diese zu prüfen und nötigenfalls ausser Betrieb zu nehmen. Die SBB begrüsst, dass das BAV die Umsetzung entsprechender Massnahmen angestossen hat.
Die SBB hat den Unfall intern ebenfalls analysiert und unternimmt alles, um ähnliche Ereignisse verhindern bzw. deren Auswirkungen so stark wie möglich einschränken zu können. Zu den Massnahmen, um Ereignisse zu verhindern, gehören beispielsweise die frühzeitige Erkennung von notwendigen Instandhaltungsmassnahmen an Zügen mittels Zustands- und Bilddaten sowie der vermehrte Einsatz von Zugkontrolleinrichtungen. Um im Falle eines Ereignisses die Auswirkungen so stark wie möglich zu reduzieren und eine allfällige Entgleisung frühzeitig zu erkennen, prüft die SBB, bei den Spurwechseln im und vor dem Gotthard-Basistunnel streckenseitige Entgleisungsdetektoren zu installieren. Aufgrund der nötigen Zeit für die Planung und Installation solcher Anlagen sowie der komplexen Einbindung in die bestehenden Systeme geht die SBB davon aus, dass die erwähnten Massnahmen mittelfristig umgesetzt werden können.
Als zusätzliche unmittelbar umsetzbare Massnahme wird die Geschwindigkeit im Bereich der beiden Portal-Spurwechsel vor dem Gotthard-Basistunnel ab der vollständigen Wiederinbetriebnahme temporär auf 160 km/h reduziert, um im Fall eines sehr unwahrscheinlichen erneuten Ereignisses die Auswirkungen zu reduzieren. Die Geschwindigkeitsreduktion hat keinen Einfluss für die Kundinnen und Kunden oder die Anschlüsse im Tessin und in der Deutschschweiz, führt aber dazu, dass es weniger Fahrzeitreserven gibt, um beispielsweise Verspätungen aufzuholen. Im Gotthard-Basistunnel können die Personenzüge wie bisher mit bis zu 230 km/h fahren.
Schaden zu einem grossen Teil versichert
Die SBB geht aktuell von einer Sachschadenssumme, inklusive Ertragsausfällen, von rund 150 Millionen Franken aus. Davon sind rund 140 Millionen Franken versichert. Die Schätzgenauigkeit liegt für beide Zahlen bei +/- 20 Prozent.
Angebotsausbau ab Fahrplan 2026
Die DB und die SBB bauen das Angebot im internationalen Personenverkehr zwischen der Schweiz und Deutschland weiter aus. Vor der Corona-Pandemie stieg die Nachfrage nach Zugreisen Richtung Deutschland kontinuierlich. Heute befindet sie sich bereits wieder auf dem Niveau von 2019. Voraussichtlich ab 2026 werden mehr direkte Verbindungen via Basel zu verschiedenen Destinationen in Deutschland angeboten.
Für den geplanten Angebotsausbau hat die SBB bei Stadler sieben weitere Giruno-Züge bestellt. Diese erfüllen die Geschwindigkeitsvoraussetzung von 250km/h für den Einsatz auf den Hochgeschwindigkeitsstrecken der DB. Die Züge werden zwischen der Schweiz und Deutschland via Basel verkehren. Die Investition beträgt rund 250 Millionen CHF. Diese sieben Fahrzeuge sind Teil der bestehenden Optionsrechte, welche die SBB bei der Ausschreibung der Giruno publiziert hatte. Die bestehenden 29 Giruno wurden 2014 bestellt. Am 10. Mai 2021 wurde der 29. Giruno ausgeliefert. Die Züge verkehren heute bereits zwischen Basel/Zürich bis nach Lugano/Mailand und weiter nach Genua, Bologna und Venedig.
Mit dem Angebotsausbau geht die vollständige Umstellung aller ICE-Verbindungen zwischen der Schweiz und Deutschland auf den ICE 4, den modernsten Zug der DB, sowie der Einsatz von Giruno-Kompositionen der SBB in Deutschland einher.
Schwerpunkte des Angebotsausbaus voraussichtlich ab Fahrplan 2026 sind:
- Die Anzahl an Direktverbindungen zwischen der Schweiz und Deutschland wird von heute 26 auf 35 tägliche Verbindungen erhöht.
- Zwei neue Direktverbindungen pro Tag von Hamburg über Basel nach Lugano stärken das Angebot auf der Nord-Süd-Achse durch den Gotthard. Mit dem Einsatz des Giruno auf dieser Linie besteht die Option, künftig weitere direkte Verbindungen von Deutschland bis nach Mailand anzubieten.
- Mit dem neuen Konzept werden zudem neue Direktverbindungen von Deutschland über Bern in das Wallis geschaffen.
- Der Einsatz der ICE 4 auf der Linie Dortmund – Köln – Basel ermöglicht neue Direktverbindungen aus Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands, in die Schweiz.
- Der zukünftige Halbstundentakt auf der Strecke Zürich – Chur schafft die Möglichkeit, zusätzliche Direktverbindungen aus Deutschland nach Chur anzubieten.
- Die Reisezeit zwischen Frankfurt und Zürich reduziert sich um 20 Minuten auf 3 Stunden und 40 Minuten.
Mit dem "kleinen Fahrplanwechsel" vom 09. Juni 2024 ist erstmals auch ein Stadler Giruno fahrplanmässig nach Deutschland gefahren:
SBB RABe 501 027 "Kanton Schaffhausen" bei der Abfahrt am 09. Juni 2024 am Zürcher Hauptbahnhof als EC 472 Zürich HB (14.34) - Basel SBB (15.28/15.38) - Basel Bad Bf (15.44/15.52) - Freiburg (Breisgau) Hbf (16.24) - Ringsheim/Europa-Park (16.42) - Karlsruhe Hbf (17.31) - Mannheim Hbf (18.00) - Frankfurt (Main) Hbf (18.44).
Leserfotos aus Frankfurt (Main):
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