In der Schweiz nahm der Personenverkehr auf der Schiene auf der Nord-Süd-Achse bis Ende 2019 deutlich zu. Dies ist eine direkte Folge der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels 2016 und des verbesserten ÖV-Angebots. Fast alle Bahnhöfe im Tessin und in Uri verzeichneten deutlich mehr Reisende. Je nach räumlichem Potenzial verstärkte sich die Dynamik im Umfeld der Bahnhöfe. Das zeigt das Monitoring Gotthard-Achse.
Nothaltestelle Sedrun im Gotthard-Basistunnel (GBT) Foto: Marcel Manhart
Auf der Gotthard-Achse gingen neue Grossinfrastrukturen in Betrieb: Der Gotthard-Basistunnel (GBT) Ende 2016 und der Ceneri-Basistunnel (CBT) im April 2021. Zusammen mit dem Ausbau der Zulaufstrecken ist der Transport von Lastwagen auf der Schiene mit einer Eckhöhe von vier Metern zwischen Basel und Italien nun möglich. Die neuen Infrastrukturen wirken sich auf die Entwicklung des Personen- und Güterverkehrs (alpenquerender Verkehr) sowie auf die Raumentwicklung aus, insbesondere in den Kantonen Tessin und Uri. Das Monitoring Gotthard-Achse (MGA) untersucht, wie sich die Neubauprojekte des Bahnverkehrs auf dieser Achse räumlich und verkehrlich auswirken. Die vorliegenden Zwischenergebnisse des Monitorings beziehen sich auf den Zeitraum nach Eröffnung des neuen Gotthard-Basistunnels, aber noch vor Eröffnung des Ceneri-Basistunnels.
Im Personenverkehr auf der Schiene nahm die Anzahl Reisender am Gotthard zwischen 2016 und 2019 um 28 Prozent zu; schweizweit betrug die Zunahme hingegen nur ein Prozent. Der Anstieg der Fahrgastzahlen ist auf das verbesserte Verkehrsangebot auf der Gotthardbahnachse zurückzuführen, insbesondere auf die kürzeren Fahrzeiten und die höhere Frequenz. Ebenso nahm die Anzahl Bahnreisender an den Bahnhöfen zu. Dazu beigetragen hat das verbesserte ÖV-Angebot in den Kantonen Uri und Tessin. Entsprechend wurden auch mehr Abonnemente und Billette in allen untersuchten Regionen dieser Kantone verkauft.
Verlagerung von der Strasse auf die Bahn
Die verbesserten Bahnverbindungen halfen auch, die Strassen zu entlasten. Am Gotthard sank die Anzahl Personenwagen um rund vier Prozent, was einem Rückgang von 1000 bis 1800 Personenfahrten pro Tag entspricht. Die Zahl der Zugpassagiere ist entsprechend gestiegen – 60 bis 80 Prozent des Anstiegs der Fahrgastzahlen sind darauf zurückzuführen, dass Automobilisten vom Auto auf den Zug umgestiegen sind.
Positive Auswirkungen auf den Tourismus im Tessin
Die zusätzlichen Bahnfahrten sind vor allem auf Besucherinnen und Besucher von Touristenattraktionen im Tessin zurückzuführen. Das Wachstum beim Bahnverkehr geht mit der Entwicklung bei den Logiernächten einher. Trotz Konkurrenz durch ausländische Destinationen und der Frankenstärke kam es bei den Übernachtungen im Tessin zu einer deutlichen Trendumkehr, insbesondere in der Parahotellerie (2011-2015: minus sieben Prozent, 2016-2019: plus sechs Prozent).
Verstärkte Dynamik im Umfeld von Bahnhöfen
Es gibt erste Hinweise, dass der neue Basistunnel auch die räumliche Entwicklung beeinflusst hat. Bellinzona hat am meisten von der verbesserten Erschliessung profitiert. Dort liegen die Wachstumsraten von Bevölkerung und Beschäftigten noch über denjenigen in der Region Lugano, dasselbe gilt für die Immobilienentwicklung. Die Bevölkerung wuchs im Umfeld aller untersuchten Bahnhöfe durchschnittlich stärker als anderswo. Gebiete, die über grössere Arbeitszonen verfügen, verzeichneten deutliche Zuwachsraten bei den Arbeitsplätzen. Die Entwicklung bei kleinen und mittelgrossen Bahnhöfen in der Nähe städtischer Zentren hing stark von freien Baulandreserven und der lokalen Planung ab. Grossprojekte bei grossen Bahnhöfen tragen dazu bei, Verdichtungspotenziale auszuschöpfen. Zu erwähnen sind beispielsweise das geplante Quartier Officine in Bellinzona oder die neue Verkehrsdrehscheibe am Bahnhof Mendrisio mit dem Campus der Tessiner Fachhochschule (SUPSI).
Im Kanton Uri haben sich die Bahnverbindungen und das Angebot des öffentlichen Verkehrs insbesondere in Altdorf ebenfalls deutlich verbessert, was dazu beitrug, dass die Bevölkerung und die Anzahl Arbeitsplätze wuchsen. Die Pendlerbeziehungen vor allem in Richtung Luzern und Zürich nahmen zu. Mit der auf Ende 2021 geplanten vollständigen Eröffnung des neuen Kantonsbahnhofs dürfte sich dieser Trend noch verstärken.
Monitoring Gotthard Achse (MGA)
Im Projekt MGA untersuchen die Bundesämter für Raumentwicklung (ARE), Verkehr (BAV), Strassen (ASTRA), Umwelt (BAFU) sowie die Kantone Tessin und Uri seit 2015 die Auswirkungen des Bahnausbaus
auf der Gotthardachse. Phase A, die 2017 endete, untersuchte Trends, bevor der Gotthard-Basistunnel (GBT) eröffnet wurde. Phase B des Monitorings wird untersuchen, wie sich der 2016 eröffnete
GBT, das im April 2021 vollständige Angebot am Ceneri-Basistunnel, der 4-Meter-Korridor für den Güterverkehr und der neue Kantonsbahnhofs Altdorf auswirken. Die hier vorgestellten
Zwischenergebnisse der Phase B betrachten die Jahre 2016-2019 und sind nicht von der Covid-19-Pandemie beeinflusst. Die Schlussergebnisse der Phase B liegen 2023 vor, eine weitere abschliessende
Auswertung (Phase C) ist ab 2025 geplant.
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