Was als Pilotprojekt im Jahr 2013 mit zunächst fünf Video-Reisezentren an der Schwarzwaldbahn begann, ist mittlerweile ein etabliertes Vertriebsformat. Heute gibt es bei der Deutschen Bahn 43 Video-Reisezentren bzw. Video-Schalter in acht Bundesländern. Davon entfallen allein auf Baden-Württemberg zwölf Video-Reisezentren sowie ein Video-Schalter in Tübingen als Ergänzung innerhalb des dortigen klassischen Reisezentrums. Zwei der bundesweit derzeit sechs Video-Zentralen, in denen die Reiseberater sitzen, befinden sich in Baden-Württemberg, nämlich in Ludwigsburg und Villingen. Bis Ende 2018 sollen deutschlandweit 35 neue Standorte mit Video-Funktion hinzukommen, überwiegend in Nordrhein-Westfalen. Seit 2013 wurde der Video-Verkauf bereits über 350.00 Mal genutzt, davon allein etwa 128.000 Mal in Baden-Württemberg.
St. Georgen (Schwarzw) war einer der ersten Standorte mit Video-Verkauf Foto: Marcel Manhart
Digitalisierung „von Mensch zu Mensch“
„Die Video-Reisezentren sind für alle Beteiligten ein Gewinn“, sagt Reinhold Pohl, Leiter regionaler Vertrieb Süd bei der DB Vertrieb GmbH. „Die Kunden profitieren von längeren und durchgehenden Öffnungszeiten sowie ortskundigen Reiseberatern. So verbindet das Video-Reisezentrum die Vorteile der Digitalisierung mit den Annehmlichkeiten einer persönlichen Beratung. Für die Mitarbeiter werden in den Video-Zentralen zukunftsfähige Arbeitsplätze geschaffen.“
Die Kunden erhalten beim Video-Verkauf das gleiche Angebot wie im klassischen Reisezentrum. Sie melden sich über eine Ruftaste beim Reiseberater in der Video-Zentrale. Dieser schaltet sich auf den Bildschirm im Video-Reisezentrum auf. Der DB-Mitarbeiter berät per Video-Chat zu möglichen Reiseverbindungen, Preisen und Angeboten. Der Kunde verfolgt die Arbeitsschritte des Reiseberaters auf einem zweiten Bildschirm mit der Menüführung eines Fahrkartenautomaten. Gezahlt wird bar, mit EC- oder Kreditkarte. Verbindungsinformationen und Fahrkarten werden sofort ausgedruckt.
Drei Fragen an Reinhold Pohl, Leiter regionaler Vertrieb Süd bei DB Vertrieb
und damaliger Projektleiter Einführung Video-Reisezentren
1. Wie kam man beim Vertrieb der Deutschen Bahn damals auf die Idee, Video-Reisezentren einzuführen?
Wir hatten im Regionalvertrieb schon länger das Problem, dass die vielen Ein- bis Zwei-Mann-Verkaufsstellen nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben waren. Einer unserer Vorstände sah damals am Münchner Flughafen, dass sich die Passagiere dort Auskünfte per Live-Schaltung mithilfe eines Bildschirms einholen konnten. Wir haben dieses Konzept auf unsere Bedürfnisse angepasst. Es reichte ja nicht, dass unsere Fahrgäste nur beraten werden. Wir benötigten darüber hinaus auch eine Art „ferngesteuertes Verkaufsgerät“. So ist das Format der Video-Reisezentren entstanden.
2. Was ist die größte Herausforderung, wenn Sie an einem Standort ein Video-Reisezentrum einführen?
Eine der größten Schwierigkeiten ist es, rechtzeitig vor dem geplanten Eröffnungstermin eines Video-Reisezentrums eine zuverlässige und leistungsstarke Datenleitung zu bekommen Gerade die „letzte Meile“ bis zum Bahnhof ist häufig nicht vorhanden. Wir müssen hier Vorlaufzeiten von bis zu sechs Monaten einplanen.
3. Weshalb gibt es in manchen Bundesländern wie Baden-Württemberg und Bayern so viele Videoreisezentren, in anderen Bundesländern hingegen, beispielsweise in Brandenburg oder Sachsen-Anhalt, gar keine?
Der Regionalverkehr in den einzelnen Bundesländern wird von den jeweiligen Aufgabenträgern bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen bestellt. Dies betrifft auch die zugehörigen Vertriebsleistungen. Video-Reisezentren werden – wie beispielsweise Automatenstandorte auch – über Verkehrsverträge in Auftrag gegeben. Wir bieten dieses Format allen Aufgabenträgern in den einzelnen Bundesländern als kostengünstige Alternative zum klassischen Reisezentrum an. Diese treffen dann letzten Endes die Entscheidung über die Standorte.
Darüber hinaus hilft es uns in Baden-Württemberg und Bayern natürlich, dass bereits viele Kommunen positive Erfahrungen mit dem Format Video-Reisezentrum gesammelt haben. Das spricht sich unter den Bürgermeistern herum. Wir müssen hier nur noch selten politische Widerstände bei der Einführung eines neuen Video-Reisezentrums überwinden.
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