Nach dem Einbruch bei der Nutzung des öffentlichen Verkehrs (ÖV) und dem Rückgang beim Schienengüterverkehr infolge der Corona-Krise hat das Bundesamt für Verkehr (BAV) umgehend reagiert. Mit der früheren Auszahlung bereits vereinbarter Subventionen stellte es sicher, dass die Transportunternehmen über genügend flüssige Mittel verfügen. Bis Ende April zahlte das BAV rund 500 Millionen Franken vorzeitig aus.Nun erarbeitet es mittel- und langfristige Unterstützungsmassnahmen, die dem Parlament in diesem Sommer vorgelegt werden sollen.
Aufgrund der Corona-Krise nahm die Zahl der ÖV-Passagiere um mehr als 80% ab Foto: Marcel Manhart
Um die Corona-Pandemie in der Schweiz einzudämmen, empfahl der Bundesrat der Bevölkerung Mitte März 2020, Fahrten im ÖV zu vermeiden, das heisst wenn möglich im Homeoffice zu arbeiten sowie auf Freizeitverkehr zu verzichten. Diese Ausgangsbeschränkungen trafen den ÖV mit voller Wucht. Schätzungen der SBB zufolge nahm die Zahl der Fahrgäste um mehr als 80 Prozent ab. Die vorübergehende Ausdünnung des Fahrplans ging mit der Erwartung einher, dass die zur Verfügung gestellten Zugkompositionen in unveränderter Länge verkehren, um die Einhaltung der Abstandsregeln sicherzustellen. Die Unternehmen waren nicht in der Lage, den Rückgang der Nachfrage durch eine proportionale Senkung ihrer Kosten aufzufangen. Wegen Ladenschliessungen und Stilllegungen der Produktion ging ab Mitte März 2020 auch der Güterverkehr stark zurück.
Der plötzliche Nachfrageeinbruch gefährdete die Liquidität der Unternehmen. Das BAV hat deshalb beschlossen, vereinbarte Beiträge schneller oder vorzeitig auszuzahlen. Dank dieser Flexibilität erhielten Unternehmen, die im regionalen Personenverkehr, im Unterhalt und Ausbau des Schienennetzes und im alpenquerenden Schienengüterverkehr tätig sind, bis Ende April 2020 Subventionsvorschüsse in Höhe von knapp 500 Millionen Franken.
Stossrichtungen für das weitere Vorgehen
Das im März 2020 aufgegleiste Massnahmenpaket des BAV ist als sofortige und pragmatische Antwort auf die aktuellen Bedürfnisse der Transportunternehmen ausgerichtet. Ergänzend dazu können die Transportunternehmen auf die vom Bund für alle Branchen bereitgestellten Finanzhilfen zurückgreifen. Dies sind insbesondere vom Bund abgesicherte Bankkredite und Entschädigungen für Kurzarbeit, sofern die Bedingungen dafür erfüllt sind. Die Transportunternehmen werden die Bankkredite aber kaum zurückzahlen können, da sie von Gesetzes wegen im Bereich der bestellten Leistungen keine Gewinne erwirtschaften dürfen.
Das BAV erarbeitet deshalb Massnahmen, um den Unternehmen zu helfen, die Corona-bedingten Verluste abzufedern. Die Massnahmen sollen sich soweit wie möglich in bestehende Prozesse einfügen und die Kompetenzaufteilung zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden berücksichtigen. Anlässlich eines Treffens am 30. April, zu dem Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga eingeladen hatte, stellte das BAV den anwesenden Branchenakteuren und den Kantonen die Stossrichtung seiner Überlegungen vor:
- Bei der Eisenbahninfrastruktur ist geplant, dass die unvorhersehbaren krisenbedingten Defizite über Änderungen der Leistungsvereinbarungen zwischen dem BAV und den Infrastrukturbetreiberinnen übernommen werden sollen. In erster Linie geht es darum, den Verlust auszugleichen, der wegen rückläufiger Trassenpreis-Erlöse entsteht. Zudem sollen geeignete Massnahmen die Liquidität des Bahninfrastrukturfonds sichern, dessen Einnahmen ebenfalls gesunken sind.
- Das BAV hat Anfang Mai beschlossen, die von 2019 auf 2020 angesetzten Subventionskürzungen im unbegleiteten kombinierten Verkehr durch die Alpen rückgängig zu machen. Hierfür erhöht es für die Periode April bis Dezember 2020 die Abgeltung je gefahrenem Zug um 160 Franken. Das BAV schöpft damit den bestehenden Handlungsspielraum aus. Es sieht vor, für weitere Massnahmen eine Gesetzesanpassung anzustossen. Eine Härtefallregelung soll zudem die punktuelle Unterstützung des Binnengüterverkehrs auf der Schiene ermöglichen, wo dies erforderlich ist.
- Im Bereich des regionalen Personenverkehrs (RPV) prüft das BAV die Möglichkeit, dass die Besteller – Bund und Kantone –, das 2020 entstandene Defizit übernehmen statt nur die vor der Corona-Pandemie geplanten ungedeckten Kosten abzugelten. Die Besteller würden sich nach dem im RPV üblichen Verteilschlüssel an dieser Ausgabe beteiligen. Im Gegenzug wird von den Unternehmen erwartet, dass sie nachweislich alles unternommen haben, um das Schadensausmass möglichst gering zu halten. Zudem wäre die Unterstützung an den Verzicht auf die Ausschüttung einer Dividende geknüpft. Und schliesslich müssen auch von den Unternehmen geäufnete Reserven eingesetzt werden, um die Belastung der öffentlichen Hand zu reduzieren.
- Im Fernverkehr wird mit der SBB nach einer Lösung für die finanziellen Verluste gesucht.
- Finanzhilfen für den Ortsverkehr liegen grundsätzlich in der Kompetenz der Kantone und Gemeinden, die das Angebot in diesem Bereich bestellen. Das BAV hat jedoch die Forderung der Teilnehmenden am Runden Tisch vom 30. April nach einer aktiven Finanzhilfe des Bundes zur Kenntnis genommen und stellt Überlegungen dazu an. Es wird dem Bundesrat seine Vorschläge dazu unterbreiten.
- Die Unterstützung des touristischen Verkehrs würde im Rahmen der etwaigen Massnahmen zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise im Tourismus abgewickelt.
Das BAV ist im regelmässigen Austausch mit den Transportunternehmen, den Kantonen und den weiteren Beteiligten. Es arbeitet an einer Sonderbotschaft, die im Sommer vom Bundesrat verabschiedet und im Herbst vom Parlament beraten werden soll.
Kommentar schreiben